Forum Unternehmensrecht: Preisbindung und Preisempfehlung im deutschen und europäischen Kartellrecht
Am 8. Februar 2011 fand bereits zum zweiten Mal ein gemeinsam von dem Institut für Unternehmensrecht (IUR) und dem Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) organisiertes Forum Unternehmensrecht mit kartellrechtlich-ökonomischem Schwerpunkt statt. Diesmal ging es insbesondere um die Frage, wann eine rechtlich unzulässige Preisbindung vorliegt. Unter dieser Fragestellung wurde auch die grundsätzlich zulässige Preisempfehlung beleuchtet.
Herr Prof. Dr. Christian Wey (DICE) stellte zunächst mögliche Effizienzvorteile von Preisbindungen dar, beispielsweise die Vermeidung eines doppelten Aufschlags durch marktmächtige Händler oder die Förderung von Verkaufsanstrengungen. Sodann nahm Professor Wey Stellung zum Schreiben der 11. Beschlusskammer des Bundeskartellamts vom 13. April 2010, in dem dieses Beispiele für Verhaltensweisen aufführt, die nach Auffassung des Amtes unzulässige Preisbindungen darstellen. Da die ökonomischen Wirkungen von Preisbindungen nicht grundsätzlich wettbewerbsbeschränkend seien, sprach sich Professor Wey schließlich gegen ein per-se-Verbot der Preisbindung aus. Kritisch seien allerdings Preisbindungen bei steigender Marktmacht auf Herstellerseite zu beurteilen.
Anschließend stellte Herr Marc Besen von der Kanzlei Clifford Chance die europäische Rechtslage zu Preisbindungen und Preisempfehlungen dar. Preisbindungen werden, trotz Forderungen nach einer Änderung, auch in der neuen Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikalvereinbarungen als Kernbeschränkungen eingestuft. Dies führt zu der Vermutung einer spürbaren Wettbewerbsbeschränkung sowie zur Unwahrscheinlichkeit einer Freistellung. Da aber eine Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV dennoch grundsätzlich möglich sei, seien Preisbindungen in Europa gerade nicht per se verboten. Bei Preisempfehlungen sei genau zu untersuchen, ob diese nicht tatsächlich eine Wettbewerbsbeschränkung bewirkten.
Herr Dr. Christian Bahr von der Kanzlei Schuster Berger Bahr Ahrens ging schließlich auf die deutsche Rechtslage ein. Hierzu zog er einerseits die Ciba Vision Entscheidung, andererseits das Schreiben des Bundeskartellamts vom 13. April 2010 heran. Am Beispiel der im Rahmen der unverbindlichen Preisempfehlung problematischen nochmaligen Thematisierung des Preises warf Herr Dr. Bahr insbesondere die Frage nach dem Unterschied der Begriffe „Druckausübung“, der im Rahmen des Kartellverbots nach § 1 GWB eine Rolle spielt, und „Androhung von Nachteilen“ im Rahmen des Missbrauchsverbots nach § 21 Abs. 2 GWB auf. Schließlich ging Herr Dr. Bahr auf die Problematik von Preisempfehlungen bzw. Preisbindungen durch Hersteller in ihren Verträgen mit Händlern ein, die auch eine Wettbewerbsbeschränkung im Horizontalverhältnis bezwecken oder bewirken können.
In der anschließenden Diskussion unter Moderation von Herrn Professor Dr. Christian Kersting, LL.M. (Yale) war man sich einig, dass eine Preisbindung nicht zwingend wettbewerbsbeschränkend wirken muss. Es wurde jedoch deutlich, dass die Abgrenzung zwischen dem Vorliegen einer zulässigen Preisempfehlung und einer unzulässigen Preisbindung in der Praxis häufig mehr eine tatsächliche als eine rechtliche Frage ist. Es wurde daher vorgeschlagen, die Annahme einer unzulässigen Preisbindung stärker von ihren Effekten abhängig zu machen.